Weiterer schwerer Fehler im Fall Susanna in Sicht: Vernehmung von Ali B.

Es scheint so, als hätten die Staatsanwaltschaft und das Gericht schon bei der ersten Vernehmung einen gravierenden Fehler begangen. Der Beschuldigte Ali B. hat mutmaßlich auf einen Pflichtverteidiger in der richterlichen Vernehmung verzichtet. Gegebenenfalls konnte er das gar nicht wirksam und das Gericht hätte zwingend einen Pflichtverteidiger bestellen müssen. Die Folgen sind noch nicht auszudenken.

Er hat ausdrücklich erklärt, dass er keinen Verteidiger möchte“, sagte eine Sprecherin der Behörde am

Donnerstag in

Inzwischen sei ein Pflichtverteidiger für Ali B. bestellt worden, sagte die Sprecherin. Dies sei rechtlich auch erst dann verbindlich vorgesehen, wenn Untersuchungshaft angeordnet werde.Wiesbaden.

Frankfurter Rundschau

Knackpunkt ist der letzte Satz zur Pflichtverteidigung: „Dies sei rechtlich auch erst dann verbindlich 

vorgesehen, wenn Untersuchungshaft angeordnet werde.

Nach unserer Ansicht stimmt das nach neuester Rechtslage gerade nicht. Nach der neuen Rechtslage § 140 III 4 StPO ist zwingend ein Pflichtverteidiger vom Gericht auch schon für richterliche Vernehmung zu bestellen, wenn „die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint“. Wann soll die Bedeutung der Vernehmung noch größer sein als bei einer sechsstündigen Vernehmung wegen Mordes in einem so öffentlichen Fall wie hier?

Strafrecht Eggenfelden Mord

Unserer Ansicht nach konnte also hier der Beschuldigte gar nicht auf die Anwesenheit eines Verteidigers verzichten.

Das wäre ein sicherer Fehler im Verfahren, der denkbar sogar die Unverwertbarkeit der kompletten Aussage nach sich ziehen könnte. Sollte eine Verurteilung nur auf diese Aussage gestützt werden, könnte damit unter Umständen das komplette Verfahren zu Fall gebracht werden.

Näher zum Pflichtverteidiger in richterlicher Vernehmung:

Grundsätzlich ist die Verteidigung in richterlicher Vernehmung nicht gesetzlich vorgeschrieben. Nach § 140 III 1 StPO kann ein Pflichtverteidiger schon im Ermittlungsverfahren bestellt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen oder prognostiziert vorliegen werden. § 141 III 2 StPO ist deutlich: „Die Staatsanwaltschaft beantragt dies, wenn nach ihrer Auffassung in dem gerichtlichen Verfahren die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 oder 2 notwendig sein wird.“. Danach ist ein Antrag der Staatsanwaltschaft notwendig. Die Staatsanwaltschaft kann Pflichtverteidigung beantragen, muss sie aber grundsätzlich nicht.

Es scheint so, als hätten Staatsanwaltschaft und Gericht hier den neu eingeführten § 141 III 4 StPO übersehen: „Das Gericht, bei dem eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, bestellt dem Beschuldigten einen Verteidiger, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt oder wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint.

Pflichtverteidiger Strafrecht Eggenfelden

Das Gericht hat damit eine autonome Entscheidungsbefugnis, einen Pflichtverteidiger zu bestellen und ist nicht mehr – wie früher – auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft angewiesen.

 

In Ausnahmefällen dürften Gericht und Staatsanwaltschaft also sogar verpflichtet sein, schon bei richterlicher Vernehmung einen Pflichtverteidiger zu bestellen.

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